Unternehmen gründet man am besten in Berlin. Ein Grundsatz, der in den vergangenen Jahren mehr und mehr auf wackeligen Beinen steht. Von der Ruhr weht ein Wind, der noch mehr Anschub verspricht als bei der Spree. Wieso und mit welchen Mitteln kann das Ruhrgebiet plötzlich mit der Hauptstadt konkurrieren? Eine Spurensuche.
Die Pandemie zeigte auch in der Arbeitswelt, wer sich wie gut anpassen konnte: Insbesondere alteingesessene Unternehmen waren von den Lockdown-Maßnahmen überrumpelt, konnten ihre ewig gleichen Prozesse nur schwer mit Home-Office und Zoom-Konferenzen umsetzen.
Gerade hier zeigte sich die Stärke von innovativen Start-Ups. Für die gehören Digitalisierung und flexible Arbeitsbedingungen schließlich zur DNA. Genauso wie der Standort in der großen Start-up-Hochburg Ruhrgebiet … Moment, müsste hier nicht eigentlich Berlin stehen?
Das Beste an Berlin: Alle wollen dahin. Das Schlimmste an Berlin: Alle wollen dahin. Während sich die Metropole nämlich mehr und mehr zu einem überschäumenden Kessel an Möglichkeiten entwickelt, gehen andere Regionen häufig leer aus.
Doch nicht nur der Brutto-Normal-Bevölkerung gehen die steigenden Mietpreise, unmenschlichen Konkurrenzkämpfe und geht-so-leckeren Currywürste zu weit. Das geht doch deutlich besser, denkt sich auch die deutsche Start-up-Szene: Auftritt Ruhrgebiet. Wenn Berlin auch Usain Bolt sein mag, stellt der Pott dem einen ganzen Kader entgegen. Einzelkämpfer versus Kollektivdenken. Und das hat natürlich auch seine Folgen.
Im Mai 2020 hatte sich das Bewusstsein ob des prekären Zustands der Corona-Einschränkungen erst richtig eingeschlichen, da rief die Initiative Ruhr schon seine digitale Konferenz Gründer-Gipfel Ruhr zusammen. 100 Vertreter*innen von brandneuen, aber auch längst etablierten Unternehmen und Start-Ups kamen hier zusammen, um sich mit aktuellen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Gemeinsam aus der Problemzone heraus: ein nahezu romantisches Konstrukt.
Aber das Ruhrgebiet bietet dafür auch durchaus die richtigen Parameter, die nicht nur auf der hohen Bevölkerungs- und Städtedichte basieren. Zum einen glänzt die Region mit diversen renommierten Universitäten und Fachhochschulen, wodurch sich vergleichsweise leicht Fachkräfte aus dem nächsten Umland rekrutieren lassen, zum anderen sind auch die Büroimmobilien günstiger und leichter verfügbar als in Berlin. Diese Wesenszüge bestätigte auch die Umfrage des 7. Deutschen Start-up-Monitors.
Was also irgendwie auf der Hand lag, wurde lange übersehen. Während also nahezu ganz Deutschland längst mit der Start-Up-Szene Händchen hielt, schrieb das Ruhrgebiet gerade mal seinen ersten Liebesbrief.
Nicht ohne Folge: Nicht nur in den Köpfen der Verbraucher*innen sondern auch der Geldgeber*innen spielt sich die große Show weiterhin in Berlin oder München ab, so ganz haben sich die Banken im Pott auch noch nicht auf die jungen Dynamischen eingestellt. Aber da tut sich etwas.
Kommt man also im Pott auf die Idee, ein Unternehmen zu starten, kann man vielerorts auf taube Ohren stoßen. Dank der Entwicklungen der letzten Jahre entstehen jedoch auch unzählige Förderprogramme – einige wichtige Corporates haben schließlich auch ihre Hauptniederlassungen im Ruhrgebiet.
Steht euer Business-Konzept schon, könnt ihr von so genannten Accelatoren profitieren, Inkubatoren helfen euch hingegen, wenn ihr euch selbst noch nicht ganz sicher seid, wo die Reise hingehen soll. Hier könnten euch zum Beispiel Schacht One aus Essen oder der Future Champions Accelerator Rhein-Ruhr weiterhelfen. Aber auch klassische Risikokapitalgeber wie Tengelmann Ventures aus Essen stehen euch im nächsten Umkreis zur Verfügung. Aber was bringt das schönste Geld ohne die richtigen Kontakte?
Essen, Dortmund, Bochum, Gelsenkirchen und co mögen auf dem Papier zwar einzelne Städte sein, wer aber schon einmal in Berlin unterwegs war, weiß, dass die Wege innerhalb einer Stadt durchaus länger sein können als zwischen den Pott-Hotspots. Die gute Infrastruktur des Ruhrgebiets führt auch dazu, dass die Szene regelmäßig zusammenkommt und netzwerkt, was das Zeug hält.
Allen voran glänzt natürlich die Start-Up-Konferenz RuhrSummit mit hohen Teilnehmendenzahlen, weswegen der Gipfel zu den größten und wichtigsten von ganz Deutschland gehört. Aber auch einzigartige Ideen wie die FuckUp-Nights-Ruhrgebiet treffen an Rhein und Ruhr auf fruchtigen Boden. Hier erzählen junge und etablierte Unternehmer*innen von ihren größten Fehltritten. Für Gründerinnen bieten hingegen die #HowSheDidIt-Sessions der Female Founders Ruhr eine Anlaufstelle in einer Männer dominierten Szene, um über ihre eigenen erfolgreichen Business-Cases zu sprechen.
Generelle Netzwerktreffen gibt es ohnehin in Hülle und Fülle, beispielsweise den Businessbrunch im Unperfekthaus in Essen oder den Gründerstammtisch in Bochum.
Wer bei all den Angeboten schnell den Überblick verliert, kann sich einen stets aktualisierten Überblick über die Startup-Lotse Ruhrgebiet oder die Website der Gründerallianz Ruhr verschaffen. Letztere glänzt vor allem mit der Datenbank für Anfragen und dem Dealroom, in dem ihr eine Übersicht erhaltet, welche*r Investor*in in welches Projekt eingestiegen ist.
Neben den klassischen Geldgeber*innen könnt ihr in NRW übrigens auf Stipendien wie das Gründerstipendium NRW bauen oder auch auf regionale Initiativen wie die Impact Factory, in der sozial oder ökologisch nachhaltige Unternehmen gemeinsam an ihren Ideen arbeiten können.
Coworking wird im Ballungsgebiet ohnehin großgeschrieben. Ob das c/o Raum für Kooperation in Gelsenkirchen oder das Entrepreneurship Zentrum Witten – wer nicht alleine arbeiten mag, kann stets seine Gemeinschaft finden.
All das führt nicht umsonst dazu, dass immer mehr Start-ups aus dem Pott den Sprung geschafft haben: Die Bewerbungsschreiber in Bochum oder Urlaubsguru aus Holzwickede zeigen das große Potential der Region auf. Wer also Gemeinschaft leben und gleichzeitig ein einzigartiges Business aufbauen will, muss längst nicht mehr den langen Weg in das überteuerte Berlin wagen.
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