Wie Unternehmen auch nach dem Pride Month LGBTQIA+ – Marketing mit Inhalt und Haltung betreiben, ohne dabei bei oberflächlichem Pinkwashing hängen zu bleiben.
Nicht alles, was pink ist, hat auch wirklich Regenbogen-Charakter. Und doch werden im Pride-Month Juni viele Unternehmen plötzlich kunterbunt, was Produkte, Online-Auftritt oder Formate angeht. Doch hinter vielen dieser Maßnahmen steckt so viel queere Solidarität wie im AfD-Parteiprogramm.
Pinkwashing bezeichnet damit den Umstand, wenn Unternehmen, Einzelpersonen oder auch Parteien sich nach außen oberflächlich solidarisch mit der queeren Community zeigen, dahinter aber keinerlei aktive Unterstützung oder noch schlimmer sogar gegenteiliges Handeln steckt. Ebenfalls problematisch ist es natürlich, dass sich viele Unternehmen nur im Pride Monat selbst überhaupt zu diesem Thema äußern.
Regenbogen-Kapitalismus hängt mit diesem Phänomen zusammen, denn hier wird ganz explizit die Kaufkraft einer (mehrfach) marginalisierten Bevölkerungsgruppe angesprochen: Kauft unsere Produkte, ihr seid super! Guckt mal, wie bunt hier alles ist!
Dass das 2024, in einem Jahr, in dem global die politischen und gesellschaftlichen Stimmen gegen queere Menschen immer lauter werden und die Zahl der Hassverbrechen gegen die Community parallel steigt (Quelle: Lesben- und Schwulenverband, Statista), nicht mehr reicht, weiß diese selbst nur zu gut. Aber auch Unternehmen sollten endlich umdenken. Zumindest, wenn ihnen wirklich etwas an den queeren Menschen liegt.
Pinkwashing von ernst gemeinter Solidarität zu unterscheiden, ist häufig nicht mit einem Blick möglich. Doch etwas Recherche kann durchaus Licht ins bunte Dunkel bringen. Stellt euch dafür ein paar Fragen, die ihr häufig sogar online herausfinden könnt:
Großer Tipp: Checkt die Kommentarspalten bei Social Media! Im Zweifel findet ihr dort das Feedback der Community und erkennt, wie die ersten Rückmeldungen ausfallen.
Besonders wenn die Kampagnen auch gemeinsame Sache mit Vereinen und Organisationen machen, die sich für die Rechte von Queers einsetzen, ist das eine gute Verbindung aus Statement und Aktion.
Eine weitere wichtige Anlaufstelle, um die Positionierung eines Unternehmens in Bezug auf LGBTQIA+-Themen zu überprüfen, ist der Diversity Index.
Diesen gibt es sowohl für deutsche Unternehmen mit dem German Diversity Index (Link zum German Diversity Index), bei dem die DAX-40-Unternehmen nach ihrem Diversitätsengagement bewertet werden, als auch auf internationaler Ebene, zum Beispiel mit dem FTSE Diversity and Inclusion Index, der über 12.000 globale Unternehmen unter die Lupe nimmt (Link zum FTSE Diversity and Inclusion Index). Bei solchen Anlaufstellen findet ihr schneller Aufschluss über die tatsächlichen Werte.
Aber schauen wir uns mal an, wie man es am besten nicht macht.
Foto: Burger King Österreich
Als Home of the Whopper ist Burger King eine der beiden großen Fast-Food-Ketten der Welt. Ganz diesem branchenführenden Anspruch entsprechend, handelte das Unternehmen im Jahr 2022 allerdings nicht und griff mit seiner Pride-Kampagne in Österreich im Juni gehörig daneben.
Viele Queers und Allies schütteln jetzt schon den Kopf, für alle anderen gibt es den kleinen Exkurs: Tops und Bottoms sind queere Selbstbezeichnungen, die sowohl mit der eigenen performativen Rolle als auch mit dem sexuellen Act zu tun haben. Das hat a) also herzlich wenig mit Burger Buns zu tun und ist b) auch noch maximal falsch umgesetzt. Denn üblicherweise kommen eben nicht Top und Top bzw Bottom und Bottom zusammen, sondern eben Top und Bottom. Entsprechend hämisch fiel die Reaktion der Community auch gegenüber dieser merkwürdigen Marketingidee aus – abgesehen davon: Welche queere Person hat bitte auf diese Burger gewartet?
Immerhin: Burger King und die hinter dieser Kampagne stehende Werbeagentur entschuldigte sich für den „Pride-Whopper“. Seitdem ist ein ähnlich offensives LGBTQIA+-Marketing jedoch auch nicht mehr seitens Burger King vorgekommen. Angst vor Gegenwind und Kritik?
Seit vielen Jahren ist es Pride-Tradition: Viele Unternehmen wechseln ihre Logos in Regenbogen-Farbpalette. Aber auch wirklich konsequent? Eher nicht, wie das Beispiel von BMW alle Jahre wieder deutlich macht.
Hier macht die Solidarität an den Landesgrenzen Halt, denn während die westlichen Ableger der Unternehmen im Juni in Regenbogenfarben erstrahlen, bleiben die Kanäle im Nahen Osten und anderen Regionen der Welt neutral. Damit entgehen die Unternehmen natürlich potenziellen Backlashes und negativem Feedback – wirklich ernstzunehmen ist eine dermaßen bequeme Solidarität aber nun wirklich nicht. Wie sollen die queeren Personen in diesen Ländern sich fühlen, wenn nicht mal global tätige Konzerne für sie eintreten?
Ein wenig schmunzeln kann man über derartige Gegenüberstellungen aber dennoch. Eine schöne Zusammenfassung gibt es von Libs of TikTok bei X:
Es ist bizarr: 2016 erntete UPS den perfekten Score von 100 % beim Corporate Equality Index der Human Rights Campain (HRC), also dem Barometer, das Unternehmen jährlich bezüglich ihrer Anti-Diskriminierungsregularien und Praktiken bewertet. Und doch ergaben die Insights der Plattform Progressiveshopper.com, dass das Unternehmen 2,37 Millionen US-Dollar an Politiker*innen gespendet hat, die sich aktiv für queerfeindliche Positionen starkmachen.
Ähnliche Bewertungen gibt es auch bei anderen großen Marken wie Home Depot oder FedEx, die 1,82 bzw. 1,26 Millionen US-Dollar an derartige Politiker:innen spendeten. Die Website von Progressiveshopper.com ist zumindest für US-amerikanische Unternehmen eine gute Plattform, die einen Überblick über die politische Haltung von Unternehmen zu Menschenrechten bietet inklusive Suchfunktion. Die Daten werden dabei vier jährlich zu den US-Präsidentschaftswahljahren erhoben.
Es läuft also noch nicht alles rund – erst die Mischung aus dem richtigen Inhalt der Kampagne, den richtigen Werten hinter der Kampagne und der ernstzunehmenden Solidarität sorgen für ein sinnvolles LGBTQ+-Marketing. Wie das Ganze aussehen kann, zeigen diese erfolgreichen Kampagnen:
Seit 2020 verlieren Skittles im Juni ihre Farben – und zwar sowohl die Süßigkeiten selbst, als auch die sonst so kunterbunten Verpackungen. Damit macht die Marke sehr plakativ darauf aufmerksam, was ohne die queere Community fehlen würde. Ein echter Hingucker, sowohl im digitalen Marketing als auch im Supermarkt-Regal.
Aber auch hinter der Kampagne steckt die richtige Menge an Solidarität: Von jeder verkauften Verpackung wird mindestens 1 US-Dollar an die LGBTQIA+-Organisation GLAAD gespendet. 2023 wurden zudem queere Künstler:innen mit dem Design von sechs verschiedenen Skittles-Verpackungen beauftragt, die im Juni vertrieben wurden. So kann Engagement gehen!
2023 setzte Levi’s mit der Kampagne „How Do You Show Up?“ ein globales Zeichen und setzte dafür sechs queere Personen ins Rampenlicht. Jede von ihnen zeigte im ganz eigenen, oft auch Gender-Rollen hinterfragenden Stil, wie das eigene Ich durch die Brand Levi’s supportet wird.
Durch diesen sehr emotionalen Bezug mit einem charakteristischen Gegenüber bekommt das Publikum einen direkten Draht zur Marke. Und damit nicht genug: Jedes Jahr spendet Levi’s 100.000 US-Dollar an Outright International, einer Organisation, die LGBTQIA+-Rechte auf der ganzen Welt stärken möchte.
Die schöne zugehörige Kampagne sah so aus:
North Face konnte die bekannte Drag Queen Pattie Gonia für eine Kampagne gewinnen, die passenderweise ebenfalls Outdoor-Fan ist. Der Grundgedanke der Kampagne: Die Natur akzeptiert alle, wie sie sind. North Face auch.
Das sah so aus:
Doch bei dieser Kampagne blieb es nicht bei digitalen Videos, die potentiell schnell wieder in Vergessenheit geraten. Stattdessen veranstaltete North Face zahlreiche Events, bei denen die Community gemeinsam die Outdoor-Welt feierte. So entstand direktes Engagement und ein aktives Eintreten als Safe Space für queere Personen.
Ein klarer Tipp für alle Unternehmen, die sich hier positionieren möchten: Sucht euch Tipps bei der Community selbst, bindet am besten queere Aktivist:innen oder noch besser Mitarbeitende in den Prozess ein und sucht euch die passende Organisationen, die ihr supporten möchtet. Das können lokale Teams sein, die sich bei euch vor Ort für die Community starkmachen, aber auch globale Institutionen wie die Human Rights Campaign (HRC). Macht mehr als nur Marketing.
Viele Beispiele zeigen: Die Sache mit dem Regenbogen-Marketing läuft bislang noch nicht so rund. Zu viele Unternehmen bleiben beim oberflächlichen Statement ohne tieferen Sinn oder marketen komplett an der Zielgruppe vorbei. Dennoch ist es gerade im heutigen politischen Klima wichtig, solidarisch zu sein und die eigene Reichweite für die richtigen Werte einzusetzen. Wie das gehen kann, zeigen Firmen wie Skittles oder North Face mit ihren Kampagnen. Und nicht vergessen: Pride ist jeden Tag!
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